Zwischen Tradition und Aufbruch: Die vierte und fünfte Sitzung von Memory in Sculpture
- abondardesign
- vor 4 Tagen
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Mit der vierten und fünften Sitzung ging unser Projekt Memory in Sculpture in eine besondere Phase über — den Moment, in dem Theorie und Praxis ineinandergreifen. Nach Wochen intensiver Auseinandersetzung mit der Geschichte jüdischer Kunst, ihren Brüchen, ihren Erneuerungen und ihren mutigen Protagonisten haben wir unseren theoretischen Block abgeschlossen. Und wie es sich für ein Projekt über Erinnerung gehört, endete dieser Teil nicht nur mit Worten, sondern mit einer gemeinsamen künstlerischen Tat:
der Entstehung unserer
großen Gruppen-Menora,
gefüllt mit Symbolen,
Bedeutungen und den
Spuren unserer eigenen Geschichten.
Die vierte Sitzung:
Eine Reise in die Moderne jüdischer Kunst

Die vierte Sitzung widmete sich einer Epoche, in der alles in Bewegung geriet: dem jüdischen Modernismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Eine Zeit, in der die jüdische Kunst sich emanzipierte, professionalisierte und in den Dialog mit den globalen Strömungen der Moderne trat.
Wir begannen mit Mark Antokolsky — einem Pionier, der als einer der ersten jüdischen Künstler eine akademische Ausbildung erhielt und Skulpturen schuf, die europaweit für Aufsehen sorgten. Seine Werke stellten selbstverständliche Annahmen infrage. Besonders sein „Jesus vor dem Volksgericht“ wirkte wie ein Schock: zum ersten Mal erschien Jesus als traditioneller Jude — mit Bart, Schläfenlocken und Tallit. Noch provokanter: Antokolsky verlieh dieser Figur seine eigenen Gesichtszüge. In einer Zeit religiöser Sensibilitäten war das nicht weniger als eine künstlerische Explosion.

Von dort aus führte der Weg weiter zu Denkern wie Martin Buber, der die Frage stellte: Gibt es jüdische Kunst überhaupt? Und wenn ja — wie entsteht sie? Erst auf dem eigenen Land?

Erst durch eine gemeinsame Kultur? Die Debatten dieser Zeit spiegelten die Suche eines Volkes wider, das zwischen Tradition und Moderne, Diaspora und Heimat pendelte.
Ein zentrales Beispiel dieser Suche war das Werk von Ephraim Moshe Lilien, dessen symbolreiches Bild „A View to the East“ den zionistischen Aufbruch in visuelle Sprache übersetzte: den Schmerz des Exils, die Sehnsucht nach Befreiung, den Blick nach Osten, zum Licht.
Auch Boris Schatz, Schüler Antokolskys, prägte diese Epoche maßgeblich. Er verband Historismus mit Nationalkunst und gründete 1906 die Bezalel-Akademie —
Jahrzehnte vor der Staatsgründung Israels.

Die ersten Künstler*innen dort erschufen eine visuelle Sprache zwischen Antike, Judentum und moderner Gestaltung. Das Emblem der Akademie — entworfen von Lilien — verband die Gesetzestafeln und Cherubim mit zeitgenössischer Grafik. Selbst Rabbiner Kook segnete das Projekt, wenn auch mit einer einzigen Einschränkung: keine Darstellung menschlicher Gesichter. Ein faszinierender Moment, in dem religiöse Tradition und moderne Kunstproduktion aufeinanderprallen.
Die Präsentation endete mit der monumentalen Menora vor der Knesset, geschaffen vom deutschen jüdischen Bildhauer Benno Elkan. Dieses Werk fasst Jahrtausende jüdischer Geschichte in Bronze zusammen — von der frühen Bibel über die Zerstörung des Tempels bis zu Shoah und Staatsgründung. Ein Symbol von Verlust, Widerstandskraft und Erneuerung.

Genau an diesem Punkt begann unsere eigene praktische Arbeit.
Die fünfte Sitzung:
Die Geburt unserer gemeinsamen Menora
Nach der theoretischen Reise durch die Moderne wandten wir uns dem Herzen des Projekts zu: der kollektiven Gestaltung einer eigenen Menora. Unter der Leitung einer professionellen Bildhauerin entwickelten wir gemeinsam das Konzept für den Sockel — die „Erde“, aus der unser Leuchter wachsen sollte.
Jede Person gestaltete anschließend einen eigenen Arm der Menora — sieben individuelle, persönliche Beiträge, die zusammen ein gemeinsames Ganzes bilden. In jedem Element stecken Symbole, Erinnerungen, kleine Geschichten und künstlerische Entscheidungen. Die Gruppe arbeitete konzentriert, im Austausch, im Dialog. Formen wurden modelliert, neu gedacht, korrigiert, wieder zusammengesetzt. Die große Menora wurde nicht nur gebaut — sie wurde erlebt.
Dieses Werk markiert das Ende unseres theoretischen Blocks und den Beginn einer neuen Etappe.
Wie es weitergeht
Mit der Gruppen-Menora endet die Theorie — und beginnt die eigentliche künstlerische Reise.
In den nächsten Wochen tauchen wir vollständig in die Praxis ein. Erste Ideen für die individuellen Skulpturen sind bereits formuliert, Skizzen liegen bereit und Themen entstehen aus Gesprächen, Erinnerungen und persönlichen Impulsen. Jetzt folgen die nächsten Schritte: Wir konstruieren die ersten Karkassen, entwickeln die Grundstrukturen der Skulpturen und beginnen, Material, Volumen und Komposition auszuprobieren. Danach widmen wir uns Modellierung, Oberfläche, Formdramaturgie — Schritt für Schritt auf dem Weg zu unserer finalen Ausstellung.
Das Projekt öffnet sich nun — in Richtung Material, Form und persönlicher künstlerischer Sprache. Und wir sind voller Vorfreude darauf, was in den kommenden Wochen wachsen wird.





















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